Herbsttagung 2006 in Hannover

Zur traditionellen zentralen Tagung im Historischen Museum Hannover konnte der Vorsitzende Dr. Martin Stupperich am 9. November 2006 ca. 200 Kolleginnen und Kollegen begrüßen. Er verlas in seiner Begrüßung die Resolution des VGD gegen die Kürzung des Geschichtsunterrichts in Nordrhein-Westfalen, die im Publikum auf Zustimmung stieß.

Grüße des Kultusministers

Die Grüße des Kultusministers richtete Ministerialrat Albrecht Pohle aus. Er skizzierte dabei den Fortgang der Erstellung des Kerncurriculums Geschichte. Grundlage für die Arbeit einer in der Konstitutionsphase befindlichen Kommission, die das Kerncurriculum im Auftrage des Kultusministeriums bis zum 1.8.2007 erarbeiten wird, sei der Entwurf der Bildungsstandards. Als Hauptaufgaben der Kommissionsarbeit bezeichnete Pohle neben der stofflichen Entlastung eine stärkere Einbindung landesgeschichtlicher Aspekte.

Jahrespreis 2006 der Henning von Burgsdorff Stiftung

Im Namen der Henning v. Burgsdorff Stiftung konnte deren Vorsitzende, Frau OstD’ Brigitte Netzel mehrere Kolleginnen und Kollegen auszeichnen, die sich durch herausragendes Engagement und innovative Unterrichtsideen Anerkennung verdient haben. Den ersten Preis in Höhe von 1000 Euro erhielt OStR Ulrich Schröder (BBS Osterholz-Scharmbeck) für mehrere Projektkurse zur Lokalgeschichte, aus denen umfängliches Dokumentations- und Ausstellungsmaterial hervorging.
Mit dem zweiten Preis in Höhe von 500 Euro zeichnete die Jury StR? Birgit Schoedel und StR? Dorothee Kuhle (Liebfrauenschule Oldenburg) für die Gestaltung eines fachübergreifenden Projekts der Fächer Geschichte, Deutsch und Musik aus. Beide haben mit Lerngruppen im Jahrgang 11 eine literarisch-musikalische Revue der Jahre 1945 bis 1959 auf der Grundlage intensiver Recherchen erarbeitet.
Zusätzlich wurden Klaus Maiwald (Herderschule Bückeburg) sowie Ilse Henneberg (KGS Stuhr Brinkum) für ihr langjähriges herausragendes Engagement, das sich in vielen in Unterrichtsprojekten entstandenen Ausstellungen und Dokumentationen niedergeschlagen hat, ebenfalls mit Preisen der Stiftung für ihr Lebenswerk ausgezeichnet.

Vorträge

Die Tagungsvorträge widmeten sich ganz unterschiedlichen Themen. Zunächst stellte Professor Dr. Michael Sauer (Göttingen) das den Bildungsstandards zugrunde liegende Kompetenzmodell vor. In ihm dokumentiert sich der Wandel des Faches Geschichte vom Wissens- zum Denkfach. Deutlich wurde dabei, dass die neu definierten Kompetenzen dank ihrer Fachspezifik, dimensionalen Differenzierung, Outputorientierung und der Berücksichtigung der Lernprogression für den Geschichtslehrer ein begrüßenswert konkretes Instrumentarium zur Unterrichtsplanung darstellen. (Vgl. hierzu ders., Kompetenzen für den Geschichtsunterricht – ein pragmatisches Modell als Basis für die Bildungsstandard des Verbandes der Geschichtslehrer. In: Informationen für den Geschichts- und Gemeinschaftskundelehrer 72 (2006), S. 7-20.)

Mit seinem Vortrag zum Thema „Imperialismus – Europäische Expansion im Industriezeitalter“ widmete sich Professor Dr. Boris Barth (Konstanz) dem für die Abiturjahrgänge 2008 und 2009 gestellten thematischen Schwerpunkt. Barth merkte an, dass die Schwerpunktsetzung mit dem Fokus China und Japan Themen außerhalb des universitären Standards erfasse. Im Folgenden bemühte er sich um differenzierende Betrachtungen zu einzelnen Themenbereichen.
Sozialimperialismus sei wohl für Deutschland und Italien, hingegen kaum im englischen Empire von Bedeutung. Das Verhältnis von Industrialisierung und Imperialismus sei bestenfalls ein indirektes: Die Fortschritte im Schiffbau, in der Waffentechnik, aber auch in der Medizin hätten die imperialistische Expansion ermöglicht, insgesamt sei die Industrialisierung aber keine zentrale Triebkraft des Imperialismus gewesen. Erst spät habe die Industrie Absatzmärkte und geschützte Handelsräume gefordert; insgesamt sei nicht die Wirtschaft Meinungsführer des Kolonieerwerbs gewesen, sondern die öffentliche Meinung und viele Politiker.
Korrekturbedarf erkannte Barth auch für das landläufige Bild des britischen Empires. Generell folgten die Briten der Maxime, Gebiete mit so wenig Aufwand wie möglich zu beherrschen. In ganz Indien seien nur 6000 britische Beamte tätig gewesen. Zu einer intensiven herrschaftlichen Durchdringung der Kolonien habe es Großbritannien an Kapazitäten gefehlt. Die Vergrößerung des Empires sei vor allem auf private Gesellschaften, ja auf den Subimperialismus einzelner „men on the spot“ wie Cecil Rhodes, die gegen den ausdrücklichen Befehl der britischen Regierung handelten, zurückzuführen. Die Verfassungen der Länder des Empire seien so heterogen gewesen, dass man von einem Flickenteppich sprechen könne. Als Rechtfertigung sei bei den Briten häufig der Gedanke der Zivilisierungsmission, kaum aber der des Rassismus im Spiel gewesen. Hierin unterschied sich der englische vom amerikanischen Imperialismus, der einer weißen, protestantischen Landnahme gleichkam und dessen Zäsur mit dem Ende der Westexpansion und dem Übergreifen auf die Karibik gegenwärtig in Frage gestellt wird.
Für den asiatischen Raum warnte Barth vor einer unzulässigen Vereinheitlichung. Die Etikettierung der Ostasiaten als „Gelbe“ sei ab 1820 nachweisbar; zuvor hätten die Europäer sie als Weiße bezeichnet. Die japanische Identität betone die Insellage und lehne eine Zugehörigkeit zum asiatischen Raum ab. Angesichts des europäischen Einflusses habe Japan mit einem vollständigen Neuaufbau des Staates begonnen, der europäische Einflüsse aufgenommen und rekombiniert habe.
Den Verfall Chinas im 18. und 19. Jahrhundert führte Barth auf die Bevölkerungsexplosion infolge der guten ökonomischen Situation, den Anstieg der Korruption im Beamtenapparat um 1800, den zunehmenden Opiumhandel, die Taiping-Revolte, einen blutigen Bürgerkrieg in Südchina 1850-1860, der ca. 20 Mio. Tote forderte, das Land verwüstete und den Zerfall des Zentralstaates bewirkte, zurück.
Zusammenfassend hob Barth hervor, dass die ökonomische Globalisierung 1914 abbrach. Sie hatte zu dieser Zeit ein Ausmaß erreicht, das erst in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts wieder erreicht wurde. In Afrika sei dies bis heute nicht geschehen. Die Frage nach den Kontinuitätslinien der Expansion sei im Unterricht hervorragend zu diskutieren.

Beendet wurde das Plenarprogramm mit einem Vortrag von StD Wolfgang Münchenhagen (Tostedt). Münchenhagen widmete sich dem Thema „Oberstufenaufsatz und Bildungsstandards“. Er plädierte für eine verstärkte methodische Schulung des schriftlichen Arbeitens. Aufgaben in Geschichtsklausuren seien durchweg den drei im Deutschunterricht erlernten Aufsatzarten der Inhaltsangabe, der linearen und der dialektischen Erörterung zuzuordnen. Anstatt in der vorgegebenen Zeit möglichst viel zu schreiben, seien die für diese Gattungen geltenden Regeln und Erarbeitungstechniken bei der Abfassung von Klausurentexten einzuhalten und zu diesem Zweck im Unterricht systematisch einzuüben. Strukturierte Vorarbeiten der Schüler in der Bearbeitungszeit – etwa die konsequente Verknüpfung von Behauptung, Begründung und Beleg – förderten die Stringenz der Gedankenführung, die Lesbarkeit des Textes und sie verkürzten die Länge der entstehenden Texte. Diese seien infolgedessen auch kürzer, was sich wiederum positiv auf den anfallenden Korrekturaufwand auswirke.

Auf Beschluss der Mitgliederversammlung plant der LV Niedersachsen für das kommende Frühjahr eine überregionale Tagung in Aurich/Ostfriesland. Weiterhin soll an der Konstituierung fester Vorstandsstrukturen in den Regionen Hameln und Braunschweig gearbeitet werden. Der Landtagswettbewerb wird in Zukunft nur noch mitgetragen werden können, wenn der Landtag die Finanzierung übernimmt. Die aus verschiedenen Richtungen, insbesondere von Fachschaften vorgetragene Kritik an den Thematischen Schwerpunkten wird der Vorsitzende gebündelt im Ministerium vortragen. Trotz finanzieller Einschränkungen geht die Arbeit des Landesverbandes, besonders die Fortbildungsarbeit in der Fläche, weiter.

Dr. Johannes Heinßen, Stade