Zentraltagung 2007 in Hannover

Am 3. Dezember fand in Hannover der Zentrale Tag des Geschichtslehrers 2007 statt. Die Teilnehmerzahl lag wieder bei ca. 180 Kolleginnen und Kollegen, die im oberen Bereich des hannoverschen Historischen Museums gerade noch Platz fanden. Sieben Schulbuchverlage stellten im Eingangsbereich aus und fanden in den Tagungspausen regen Zuspruch.

Zunächst begrüßte uns der Hausherr Dr. Thomas Schwark, in dessen Haus wir bereits mehrfach mit unserer Tagung zu Gast waren. In Vertretung des Landtagspräsidenten richtete Landtagsdirektor Wolfgang Göke ein Grußwort an die versammelten Geschichtslehrer/innen.

Nach der Begrüßung durch den Vorsitzenden des Landesverbandes, Dr. Martin Stupperich, folgte der Hauptvortrag von Herrn Prof. Dr. Otto Gerhard Oexle (Göttingen) über „Die Moderne und ihr Mittelalter“. Er ging aus von der Mehrdeutigkeit der Welt, in der wir leben, in der es möglich sei, zeitgleich in unterschiedlichen Dimen­sionen zu leben. Eine der Dimensionen sei die Geschichte. Der Geschichte gelinge es, Zu­gänge zu uns fremden Welten zu schaffen. So sei ein Verständnis des heutigen Ostens nur aus dem Verständnis des Byzantinismus möglich. Auch die beschworene Werte­ge­meinschaft der EU fasse sehr Unter­schiedliches oder gar Gegensätzliches unter ihrem Dach zusammen (Katholizismus – Laizismus, Föderalismus – Zentralismus u. a.).
Das okzidentale Mittelalter unterscheide sich von der östlichen Welt in mancher Hinsicht fundamental: So sei hier die Trennung zwischen den Bereichen des Geistlichen und Profanen vollzogen worden. Das Rittertum habe die Zähmung der Gewalt durch Erziehung erreicht und der Frau einen bevorzugten Platz eingeräumt. Das Römische Recht habe die Rechtsprechung auf eine allseits anerkannte schriftliche Basis gestellt und durch die Intellektualisierung des Rechts Irrationalitäten vorgebeugt und so den Weg in den späteren Rechtsstaat vorbereitet.
Ein weiteres Modernisierungsbeispiel seien die Stadtkommunen des okzidentalen Mittelalters. Nur hier seien Kommunen geschworene Einungen (coniurationes) von Individuen zur Sicherung von Recht und Frieden im Sinne eines gegenseitigen Versprechens. Die westliche Form des Christentums als einer gruppenfreundlichen Religion spiele hier eine Rolle. Die Gemeinde existiere in der Stadt als religiöse und als kommunale und bilde wiederum frei konstituierte weitere Bindungen (Zünfte, Uni­versitäten, Klöster) aus. Ein kaiserlicher Zentra­lismus wie im Osten sei unter solchen Bedingungen nicht möglich. Die zahlreichen Substrukturen bildeten eine Vielzahl von ver­schiedenartigen Werten aus. Wir haben es daher nicht einfach mit einer „Feudal­gesellschaft“ zu tun, sondern auch mit Gesellschaft im nahezu modernen Sinne. Die Vielzahl der Bindungen sei jeweils auf ihre Weise Grundlage von Friedensordnungen gewesen und weise somit in die Zukunft.

Dem sehr positiv aufgenommenen Vortrag von Prof. Oexle folgte nach einigen Anfragen aus der Zuhörerschaft die Preisverleihung der Henning von Burgsdorff Stiftung durch die Vorsitzende, Frau OStD’ i.R. Brigitte Netzel. Durch Geldpreise ehrte sie wie jedes Jahr Kollegen, die sich im Jahr 2007 durch besondere innovative Ansätze im Geschichtsunterricht und in Projekten ausgezeichnet hatten. An dieser Stelle möchten wir noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Burgsdorff-Stiftung unsere Tagungen wiederholt – so auch diesmal – mit namhaften Beträgen unterstützt, ohne die unsere Fortbildungsveranstaltungen nicht möglich wären. Wir danken Frau OStD‘ Netzel, dass sie sich so nachhaltig auch für diese Seite der Verbandsarbeit einsetzt.

Die Nachmittagszeit war drei Parallelvorträgen gewidmet.

PD Dr. Peter Aufgebauer vom Institut für Historische Landesforschung der Universität Göttingen, ein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Geschichte mit zahlreichen Publikationen, sprach über die Epoche des Späten Mittelalters. Der Workshop war sehr stark besucht; offenbar hat das Angebot hier genau die Erwartungen der Kollegenschaft getroffen. Herr Aufgebauer strukturierte seine Ausführungen chronologisch, stellte Zentral­komplexe wie das Große abendländische Schisma, die Entwicklung von Territorial­herrschaft sowie die sozioökonomischen Auswirkungen der Pest in den Mittelpunkt und zeichnete ein breites Panorama der Krisen­haftigkeit dieser Epoche.“

Der parallel stattfindende Vortrag von Herrn Platen (Neuenhaus) über Geschichte im Seminarfach findet sich auf unserer Verbandshomepage. Der Vortragende gab zahlreiche Anregungen zur Gestaltung des Seminarfachs mit dem Fach Geschichte. Gerade das Fach Geschichte biete Mög­lichkeiten fächerübergreifend und wissen­schaftspropädeutisch zu arbeiten, was ja das Ziel des Unterrichts im Seminarfach sei. Es wurden zunächst grundsätzliche Überlegungen auf der Basis der gültigen Vorgaben referiert. Im zweiten Teil wurden thematische Beispiele entfaltet, die in der Regel im Normalunterricht keinen Raum fänden und in besonderer Weise für das Seminarfach geeignet seien. So könne man unterrichten über Gründungsmythen, über Geschichte im Roman oder im Film, über besondere Denkmäler in Europa, über das Bild oder das Bauwerk in der Geschichte, über Islam und westliche Welt, über Geschlechter­geschichte, Revolutions­geschichte, aber auch so randständige Themen wie Umwelt­geschichte, Jung und Alt in der Geschichte, Bürger und Fremde oder ganz anders: Auto­biographien als erzählte Geschichte u.a. Es war ein für die Praxis sehr anregender Vortrag.

Der Vortrag des Vorsitzenden über den Reichstagsbrand als Teilaspekt des Thematischen Schwerpunkts National­sozialismus für das Abitur 2010 stellte die Thematik in einen geschichts­didaktischen Rahmen. Das Thema wurde gerade angesichts der Umstrittenheit des Hintergrunds dieser Tat als idealer Stoff für die Frage, was Geschichte leisten könne und wie der Historiker, der seine Berufung ernst nehme, arbeite. Dabei hielt der Vortragende nicht mit seiner Überzeugung hinter dem Berge, dass er das Buch von Fritz Tobias (Hannover) aus den frühen 60er Jahren für das nach wie vor abschließende Werk zu dieser Thematik halte, in der die Alleintäterschaft des Marinus van der Lubbe historisch sauber nachgewiesen sei. Diese Position werde auch von den neueren ?Enthüllungen? nicht wirklich erschüttert. Die Persönlichkeitsstruktur und biographische Grundlinie van der Lubbes mache eine andere Position historisch extrem unwahrscheinlich. Entsprechend lag der Akzent des Vortrags auf dieser Biographie mit ihren erstaunlichen Besonderheiten. Wichtig sei auch die Frage der sehr unterschiedlichen Konsequenzen beider Positionen, die bislang wenig beachtet worden sei. So ergäben sich aus der Position der Alleintäterschaft weitaus ernstere Rückschlüsse auf die Verantwortlichkeit weiter Kreise der damaligen Gesellschaft als die These von der geplanten NS-Verschwörung zur Vortäuschung eines kommunistischen Aufstandes, die Schuld und Verantwortung auf die vermeintlichen Verschwörer konzentriere und weitere Kreise davon letztlich entlaste.

Alle Vorträge sollen, soweit sie vorliegen, auf unserer Internetseite (s. Landesverband => Börse für den Geschichtsunterricht) verlinkt werden.

Während der Mittagspause tagte der Erweiterte Vorstand des Landesverbandes, um einzelne Punkte vorzubesprechen, die die Mitgliederversammlung des Nachmittags betrafen. Dazu gehörten die Fragen der Besetzung vakanter Vorstandsposten, die Kassenlage sowie die Frage der neuen Bundeszeitschrift als Zeitschrift für die Mitglieder des Landesverbandes.

Die Wahlen zum Vorstand erbrachten dann in der Mitgliederversammlung die Bestätigung des Geschäftsführenden Vorstands. Allerdings war Herr Packeiser zurückgetreten. Ihm sei an dieser Stelle für seinen Einsatz als Schatz­meister herzlich gedankt. Ein Nachfolger konnte vorerst nicht gefunden werden. Außerdem wurden die Regional­beauftragten wiedergewählt, sofern sie nicht ihr Amt aus gesundheitlichen Gründen oder wegen Arbeitsüberlastung niedergelegt hatten. Dies traf auf Herrn Groberg (Braunschweig), Herrn Münchenhagen (Tostedt) und Herrn Dr. Plath (Lüneburg) zu. Auch ihnen sei für ihre jahrelange Mitarbeit herzlich gedankt. Für die Region Braunschweig konnte mit Frau Dr. Heike Mätzing (TU Braunschweig) eine würdige Nachfolgerin gefunden und gewählt werden. Für den Bereich Stade übernahm Herr Dr. Heinßen die Funktion des Regional­vertreters zusätzlich zu seiner Aufgabe als Schriftführer im GV. Für die Region Lüneburg konnte inzwischen Frau Barbara Reichert (Lüneburg) als Nachfolgerin von Herrn Dr. Plath gewonnen werden. Sie wird das Amt zunächst bis zur nächsten Mitglieder­ver­samm­lung kommissarisch wahrnehmen.

Die Wahl der Delegierten für die Bundes­delegiertenkonferenz beim Historiker­tag Ende September 2008 in Dresden soll nach dem Willen der Mitgliederversammlung den Regionen über­tragen werden, so dass die Bereiche Oldenburg/­Ost­friesland, Osnabrück, Hannover, Stade/Lüneburg, Braunschweig und Göttin­gen­/Hameln je einen Dele­gierten für den Landes­verband entsenden.

Zwei weitere wichtige Entscheidungen fielen im Rahmen der Mitglieder­versammlung: Die erste wichtige Entscheidung war die aufgrund der äußersten Finanzknappheit nicht zu umgehende Erhöhung des Mitgliedsbeitrags auf 30,- € (bislang 25,- €). Die zweite Entscheidung betraf die Einführung der neuen Bundeszeitschrift. Danach erhält jedes Mit­glied vom Herbst kommen­den Jahres an vier Hefte pro Jahr der neuen Zeitschrift „Geschichte für heute – Zeitschrift für historisch-politische Bildung“ (Wochenschauverlag). Alle Landesverbände bis auf Bayern werden auf diese Zeitschrift umstellen, so nach Beschluss der Mitgliederversammlung auch Niedersachsen. Die Zeitschrift GPD (Geschichte, Politik und ihre Didaktik) der Landesverbände NRW und Hessen geht in der neuen Bundeszeitschrift auf, ebenso die Hamburger Verbands­veröffentlichung. Die Vertrags­bedingungen waren nachverhandelt worden, so dass jetzt z. B. für die im Vertrag festgelegte Preisangabe von 9,12 € eine Preisgarantie bis zum Jahr 2015 festgelegt wurde. Dies ist möglich, weil die Zahl der Abnehmer die Zahl 3.000 bundesweit deutlich überschreitet.