Frühjahrstagung 2010 in Celle

Früher als gewöhnlich fand die Frühjahrstagung des NGLV in diesem Jahr bereits am 23. Februar 2010 statt. Im überaus gastfreundlichen Residenzmuseum in Celle nahmen rund 80 Kolleginnen und Kollegen am ganztägigen Programm teil. Dieses war von zwei Schwerpunkten gekennzeichnet.
Der Vormittag galt dem Residenzmuseum, dessen Leiterin Juliane Schmieglitz-Otten den interessierten Zuhörerinnen und Zuhörern einen ausführlichen Überblick über Dauer- wie Sonderausstellung gab. Dabei traten deren Vorzüge mit Blick auf die Eignung als außerschulischer Lernort klar hervor. Denn der grundlegende Gedanke der Konzeption besteht jeweils darin, das Allgemeine im Besonderen darzustellen. Auf diese Weise tritt an die Stelle eines naiven Positivismus ein reflektiertes, vorzüglich didaktisiertes Konzept der Orientierung, das weniger auf ein Spezialpublikum als auf die breite Öffentlichkeit, also auch auf Schulklassen abzielt. Zunächst führt eine Filmsequenz überblicksartig in die Geschichte der Celler Residenz und die welfische Landesgeschichte ein. Im folgenden Rundgang bildet dann die lange Baugeschichte des Schlosses, in der sich gewissermaßen die Landesgeschichte materialisiert, den Ausgangspunkt des Konzepts. Die Schlosskapelle als einzige vollständig erhaltene Kapelle der Reformationszeit oder die neben Gotha älteste barocke Zimmerflucht (Enfilade) werden zum Anlass genommen, den Besuchern Kenntnisse an die Hand zu geben, mit denen sie über Epochenüberblicke hinaus auch andere Schlösser erschließen können. Der barocke Teil der Residenz ist unter anderem Ausgangspunkt für die Erklärung der Funktion des barocken Hofzeremoniells als Ort der Festlegung gesellschaftlicher Rangfolge. Handlungsorientierte Angebote für junge Besucher sind ebenfalls in den Rundgang eingebaut.
Die Sonderausstellung „Mächtig verlockend. Frauen der Welfen“, die vom 16.2.-15.8.2010 gezeigt wird, übernimmt die Grundüberlegungen der Dauerausstellung. Am Beispiel der beiden Welfenherzoginnen Eléonore d’Olbreuse (1639-1722) und ihrer Tochter Sophie Dorothea (1666-1726) werden die Lebensphasen der Frau am Hofe beleuchtet. Die denkbar unterschiedlichen Schicksale beider Frauen – die erste als hugenottische Landadlige Herzog Georg Wilhelm in seltener Liebesheirat verbunden, die zweite aufgrund ihrer Affäre mit dem schwedischen Grafen Königsmarck zeitlebens vom Hofe auf das Schloss Ahlden verbannt – beleuchten exemplarisch die Stationen Herkunft, Einfluss, Ehe, Mutterschaft, Affären und Witwenschaft, Tod und Nachleben. Dabei bieten sich aber auch detailbegeisterten Welfenfreunden interessante Zugänge. So werden neben zahlreichen Exponaten, die das höfische Leben des Barock anschaulich werden lassen, erstmals Briefe von Sophie Dorothea und ihrem Liebhaber Königsmarck im Original gezeigt.
Die recht enge Präsentation der Sonderausstellung und die Vielzahl von tief gehängten Originalgemälden lassen es ratsam erscheinen, größere Lerngruppen zu teilen. Aufgrund der exzellenten Passung zur Dauerausstellung ist sie jedoch allemal für eine eingehendere Beschäftigung mit dem höfischen Leben in der Frühen Neuzeit geeignet.
Großes Interesse bei den Gymnasialkollegen fand am Nachmittag der Workshop zum neuen Kerncurriculum Oberstufe, das gegenwärtig von einer Kommission des Kultusministeriums erarbeitet wird. Der NGLV hat hierzu bereits eine kritische Stellungnahme abgegeben. Ziel der Veranstaltung war zunächst die sachliche Information über den aktuellen Arbeitsstand und die sich andeutenden Veränderungen im Oberstufenunterricht. Anschließend wurde die Kritik des NGLV, die dieser in einer Stellungnahme bereits zum Ausdruck gebracht hat, dargestellt. Die folgende Aussprache verdeutlichte die umfänglichen Bedenken der Kolleginnen und Kollegen in ihrer ganzen Breite. Diese betrafen sowohl Modulstruktur und –inhalte als auch die Frage der praktischen Durchführbarkeit. Kritisiert wurde die stoffliche Überfüllung in Folge der zwei zu behandelnden Wahlmodule und das ebenfalls abiturrelevante vierte Semester. Zugleich sei unklar, wie eine Wiederholungsprüfung zu gestalten sei, wenn die Wiederholungsthemen wegfallen sollten. Insbesondere äußerten auch Vertreter der Schulbuchverlage ihr Unverständnis und ihre Ratlosigkeit angesichts der anstehenden Neuerungen. Man sehe sich nicht in der Lage, für das vorgelegte Konzept angemessene Lehrbücher zu entwerfen. Als Mitglied der Kommission stand StD Peter Heldt (Braunschweig) dem Kollegenkreis Rede und Antwort. Mit überwältigender Mehrheit forderten die versammelten Kolleginnen und Kollegen den NGLV auf, die geäußerten Bedenken in seine Stellungnahme zur im März erscheinenden Anhörfassung einzuarbeiten und für die Ablehnung des vorgelegten Entwurfes Unterstützung in der interessierten Öffentlichkeit zu suchen.

Johannes Heinßen (Stade)