Frühjahrstagung 2013 in Braunschweig

Am 28. Mai 2013 fand im Braunschweigischen Landesmuseum, Burgplatz 1 in Braunschweig die Frühjahrstagung mit dem Hauptthema „Unrechtsstaat DDR“ statt.
Unser Kollege Christian Werner, Wolfsburg, Regionalvertreter für die Region Braunschweig, organisierte die Tagung.
Die Frühjahrstagung 2013 im Braunschweigischen Landesmuseum war gut besucht. Der Tagungsort erwies sich als sehr geeignet, bis auf die Fassadenarbeiten, die den Luftaustausch im Vortragsraum behinderten. Um so herzlicher war die Begrüßung durch die Hausherrin Frau Dr. Heike Pöppelmann, die Leiterin des Braunschweigischen Landesmuseums. Auch die Bürgermeisterin der Stadt Braunschweig, Frau Ihbe, ließ es sich nicht nehmen, die Gäste in ihrer Stadt zu begrüßen und auf die Besonderheiten und Sehenswürdigkeiten Braunschweigs hinzuweisen. Die Eröffnung der Tagung erfolgte durch den Vorsitzenden des Niedersächsischen Geschichtslehrerverbandes (NGLV) Dr. Martin Stupperich, der vor allem auch den Hauptreferenten, Herrn Dr. Grasemann begrüßte.
Dem Vortrag von Dr. Hans-Jürgen Grasemann, dem ehemaligen stellvertretenden Leiter der Erfassungsstelle Salzgitter, die alle verfügbaren Informationen über Verbrechen und Verletzungen der Menschenrechte in der DDR und an der deutsch-deutschen Grenze zusammengetragen hat, zum Thema „Unrechtsstaat DDR – Willkür, Gewalt, Macht“ wurde sehr aufmerksam gefolgt. Es gelang Dr. Grasemann in seinem einstündigen Vortrag nach einleitenden grundsätzlichen Ausführungen zum Thema Rechtsstaat durch zahlreiche Beispiele deutlich zu machen, dass die Erzeugung von Unrechtstatbeständen systematisch als Mittel der Machterhaltung des Regimes eingesetzt wurde. Es gab keine Unabhängigkeit der Gerichte. Den Richtern wurden die Urteile in vielen Fällen von der Politik vorgeschrieben. Häufig griffen hohe Funktionäre durch die Verschärfung von Strafen per Federstrich in die Urteilsfindung ein. Willkürverurteilungen von Unschuldigen im Interesse einer ausreichend hohen Verurteilungsquote als Mittel der Gesichtswahrung einer Behörde waren an der Tagesordnung. Es gab Verhaftungen von der Straße weg ohne Benachrichtigung der Familien. In zahlreichen Fällen wurde die Todesstrafe verhängt. Familien genossen keinerlei Schutz. Oft wurde das Schicksal von Familienangehörigen als Mittel der Erpressung und Repression eingesetzt. All diese Beispiele gingen weit über die bislang vor allem in das öffentliche Bewusstsein getretene systematische Bespitzelung vieler DDR-Bürger durch ihnen Nahestehende im Rahmen der Stasi-Aktivitäten und über die verzweifelten Ausreiseversuche vieler Menschen hinaus. Von diesen weitgehend bekannten Dingen war daher im Vortrag auch wenig die Rede. In der anschließenden Diskussion konnten zahlreiche ergänzende Wortmeldungen und Anfragen eingebracht werden, auf die Dr. Grasemann jeweils ausführlich antwortete.
Im zweiten Vormittagsvortrag ergriff der Vorsitzende des NGLV die Gelegenheit, an Heinz-Peter Platen, einen langjährigen verdienten Mitarbeiter im Geschichtslehrerverband, der im Januar verstorben war, gedenkend zu erinnern und seine Arbeit zu würdigen (Vergleichende Darstellung der Kerncurricula und Abituranforderungen der Bundesländer). Heinz-Peter Platen hatte nicht nur mehrfach in den letzten Jahren auf Tagungen des NGLV referiert, sondern war vor allem während der Neunzigerjahre führender Vertreter des Geschichtsunterrichts gegenüber den Schulbehörden und Wortführer in der damaligen Curriculumdiskussion. Unter seiner maßgeblichen Mitwirkung entstanden die gelungenen Rahmenrichtlinien für die Oberstufe von 1994, die in Niedersachsen bis zum Jahr 2012 in Kraft waren. Aufgrund seiner schweren Krankheit konnte er an der aktuellen Diskussion um das neue Kerncurriculum Geschichte für die Oberstufe nicht mehr teilnehmen, doch nutzte er Phasen der zwischenzeitlichen Rekonvaleszenz  um die Lehrplanentwicklung in Niedersachsen mit der entsprechenden Entwicklung in den anderen Bundesländern zu vergleichen. Wichtige Ergebnisse dieses Vergleichs, eines langjährigen Desiderats, konnten vom Vortragenden anschließend zusammenfassend  dargestellt werden. Dabei kam Platen zu dem Ergebnis, dass Niedersachsen sowohl bezogen auf das Kerncurriculum als auch auf die Abituraufgaben eine Solitärstellung unter allen Bundesländern einnimmt. Er kam überraschend zu dem Schluss, dass gerade die ihrer Anforderungen wegen hoch gelobten Südländer Bayern und Baden-Württemberg eher geringe Anforderungen an ihrer Schüler stellten. Auch die neuen Bundesländer, die sich an diesen orientierten, bewegten sich in der Nähe dieses Standards. Er rügte hier einen zu hohen Anteil des Anforderungsbereichs I, während doch lt. EPA der Anforderungsbereich II der leitende sein solle. Vor allem aber sei in allen Bundesländern außer in Niedersachsen eine Einschränkung des für die Prüfung inhaltlich vorzuhaltenden Stoffes vorgesehen. Ja, manche böten den Schülerinnen und Schüler in der Prüfung sogar weitergehende Hilfsmittel.
Seine Forderung lautete auf den Punkt gebracht: Niedersachsen muss sich auf den Vergleich mit anderen Bundesländern einlassen und aufhören mit Alleinstellungsmerkmalen zu arbeiten. Es darf weder seine Schüler noch auch seine Lehrkräfte mit Anforderungen belasten, die es anderswo in diesem Umfang nicht gibt. Vor allem müsse Niedersachsen den Anforderungsbereich III neu überdenken und sich von den „unsäglichen Vergleichsaufgaben trennen, die die Vergleichbarkeit von Äpfeln und Birnen zum elementaren Bedürfnis eines Historikers erklären“.
Das Nachmittagsprogramm war den Workshops gewidmet. Die meisten der Teilnehmer ordneten sich dem Hauptthema über den Unrechtsstaat DDR zu, aber auch die Einführung in die Ausstellung des Landesmuseums „Die Römer kommen“ sowie der Besuch des zum Landesmuseum gehörenden Jüdischen Museums fanden zahlreiche Interessenten.
Der Workshop zum Unrechtsstaat DDR begann mit der Filmvorführung des neuen Films zum gleichen Thema, den das  Innenministerium herausgebracht hatte. Da die ursprünglich geplante Übergabe einer CD des neuen Films an alle Teilnehmer aufgrund von Zustellungsproblemen nicht klappte, wurde allen Teilnehmern die kostenlose Zusendung durch das Innenministerium  zugesagt. Im weiteren Verlauf der Diskussion über diesen Film konnte Herr Dr. Grasemann den teilnehmenden Kolleginnen und Kollegen zahlreiche weitere Informationen aus seinem reichen Wissensbestand als ehemals zuständiger (stellv.) Leiter der Erfassungsstelle Salzgitter vermitteln.
Der Workshop zur Einführung in die Ausstellung „Die Römer kommen“ aus Anlass der neuen Funde am Harzhorn bei Northeim wurde von dem Mitarbeiter des Braunschweigischen Landesmuseums, Herrn Thilo Reichel (Museumspädagogik), geleitet und fand am Standort des Museums „Hinter Ägidien“ statt. Die Teilnehmer wurden nicht nur allgemein durch einen Einblick in die Planungen informiert, sondern konnten zahlreiche Exponate bereits sehen und teilweise in die Hand nehmen. Auf diese Weise entstand eine lebendige Vorstellung davon, was die kommende Landesausstellung bringen würde. Mehrere Kolleginnen und Kollegen sagten spontan zu, mit ihren Klassen die Ausstellung besuchen zu wollen.
Der dritte Workshop befasste sich mit dem Jüdischen Museum Braunschweig, einer der Dependancen des Braunschweigischen Landesmuseums, die sich ebenfalls im Ausstellungszentrum „Hinter Aegidien“ befindet. Es handelt sich um das älteste Jüdische Museum in Deutschland, das auch die NS-Zeit überstanden hatte, aber erst ab 1987 der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht werden konnte. Der Mitarbeiter des Landesmuseums Wulf Otte (Abteilung Zeitgeschichte und Museumspädagogik) führte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in die Geschichte und die kostbaren Exponate des Museums ein. Im Zentrum der Dauerausstellung steht die Originaleinrichtung der ehemaligen Hornburger Synagoge, die als Exponat der Zerstörung 1938 entgangen war. Schüler der Christophorusschule Braunschweig hatten unter der Leitung unseres Kollegen Christian Werner einen Museumsführer entworfen, der als Audioguide und als Print und PDF-Fassung (liegt in mehreren Sprachen vor) erschien und auch heute noch den Besuchern den Weg durch die Ausstellung erleichtert.
Christian Werner, im NGLV zuständig für die Region Braunschweig und maßgeblicher Organisator der gesamten Veranstaltung gebührt Lob und Anerkennung für Vorbereitung und Durchführung der Tagung (und für seine Fotos). Der Verband dankt aber auch der Museumsleitung für die Aufnahme in ihrem Haus sowie den Mitarbeitern, insbesondere Herrn Otte und Herrn Reichelt, für die Betreuung bzw. die Leitung des zweiten und dritten Workshops. Ein großer Dank gebührt darüber hinaus vor allem dem Hauptreferenten Dr. Hans-Jürgen Grasemann.