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Herbsttagung am 25.10.2018 in Hannover. Tagungsbericht

Zur Zentralen Herbsttagung 2018 des NGLV fanden sich am 25.10. rund 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an inzwischen gewohnter Stätte, im Kulturzentrum Pavillon, ein.

Herkunft und Selbstverständnis der Neuen Rechten

Den ersten Vortrag des Vormittags hielt der Hamburger Historiker Dr. Volker Weiß, der sich mit Herkunft und Selbstverständnis der Neuen Rechten befasste. Folglich ist er aktuell ein vielgefragter Referent. Weiß setzte den Bogen seiner Erzählung bei einer Situationsbeschreibung der Gegenwart an. Nachdem die Intellektuellen der Neuen Rechten über Jahre hinweg im öffentlichen Bewusstsein ein Nischendasein geführt hatten, gewinnen sie durch die AfD an Gestaltungsmöglichkeiten. Die Trennung der Milieus sei aufgehoben, seit der nationalliberale Gründerkreis um Bernd Lucke die Partei verlassen habe. Nationale Revolutionäre und reformistische Kräfte seien nunmehr unter dem Dach der Partei vereint; sie marschierten getrennt, schlügen jedoch vereint. Auch wenn die AfD keineswegs mit der Neuen Rechten identisch sei, so sei doch deren Einfluss auf die Partei gewachsen.
Was also ist die Neue Rechte, die in der AfD die nationalliberalen und christlich-fundamenta­lis­ti­schen (von Storch) Milieus zunehmend dominiere? Eigentlich, so Weiß, handele es sich um die alte Rechte, die sich in den sechziger Jahren reorganisiert habe. Die Niederlage der NPD bei der Bundestagswahl 1969, in der sie den Einzug in den Bundestag trotz vorheriger Erfolge auf Länderebene knapp verpasste, habe auch in der Rechten zu einem Generationskonflikt geführt, analog zu dem der Achtundsechziger-Bewegung. Die neuen Rechten waren junge Akademiker, die in den letzten Kriegsjahren geboren waren. Ihre Analyse führte sie zu folgenden Ergebnissen: Das Ziel der eigenen Arbeit müsse das Bespielen des vorpolitischen Raums sein, um dort den Angriff auf die Reeducation der Alliierten und die damit einhergehende Verwestlichung der westdeutschen Kultur zu führen. Die junge Generation neuer Rechter war insofern zunächst an theoretischer Orientierung interessiert. Zu glauben, Rechtsradikalismus sei ein Unterschichtenphänomen, sei übrigens immer falsch gewesen. Sodann seien die Protagonisten dieser Strömung im Gegensatz zu ihrer Vorgängergeneration auch international gut vernetzt gewesen und profitierten daher vom Vorlauf der Nouvelle Droite, die in Frankreich in Reaktion auf die Niederlage im Algerien-Krieg entstanden war. Von dort bezogen sie Vorbilder, die sich eher am romanischen Faschismus und an der französischen Kollaboration im Zweiten Weltkrieg orientierten. Diese internationale Vernetzung sei auch heute festzustellen, etwa zur Alternative Right in den USA oder zu russischen Rechtsradikalen. Schließlich habe die neue Generation den NS-geprägten Kanon ihrer Vorgängergeneration verabschiedet. Sie habe bewusst Abstand davon genommen, sich auf NS-Ideologeme zu beziehen, sondern sich stattdessen zielgerichtet ihrer Vorgeschichte bedient.
Damit kam Weiß auf den Begriff der „Konservativen Revolution“ zu sprechen, den Armin Mohler (1920-2003) in seiner 1949 erschienenen Dissertation geprägt, oder besser gesagt: erfunden habe. Seine These, es habe in der Zeit der Weimarer Republik eine einheitliche rechte Bewegung gegeben, die für die eigentliche Tradition der deutschen Rechten stehe, dann ab 1933 durch den Nationalsozialismus („eine eigentlich linke Bewegung“, die damit nichts zu tun gehabt habe) verfälscht worden sei, gab der äußersten Rechten ein neues Narrativ und eine neue Geschichtslegende. Tatsächlich handelte es sich nur um einen diskursiven Trick. Mohlers Kunstgriff lag darin, dass er unter dem Begriff der „Konservativen Revolution“ Hunderte von Autoren versammelte, die intellektuell bisweilen nicht das Geringste verband. Dazu gehörten prominent Carl Schmitt, der Denker des autoritären Staates, Ernst Jünger als Vertreter des heroischen Nationalismus und Oswald Spenglers Kulturmorphologie, aber auch Thomas Mann als Autor der „Betrachtungen eines Unpolitischen“ wurde flugs eingemeindet.
Mohlers Lebenslauf weist ihn als flexiblen Taktiker aus, der sich den herrschenden Verhältnissen anzupassen wusste. Gebürtiger Schweizer, wechselte er im Zweiten Weltkrieg über die Grenze, um Aufnahme in die Waffen-SS zu finden, was jedoch scheiterte. Stattdessen studierte er in Deutschland Kunstgeschichte und wurde nach seiner Rückkehr in die Schweiz wegen illegalen Grenzübertritts zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. 1949 erschien dann seine Dissertation über die „Konservative Revolution“. Sie qualifizierte ihn für das Amt des Privatsekretärs bei Ernst Jünger. Auch hielt er sich im Kreis um Carl Schmitt auf. Schließlich wurde er Redenschreiber von Franz Josef Strauß und Vorstand bei der Siemens-Stiftung. Er erhielt somit Zugang zu den „Vorzimmern der Macht“ – und setzte damit das um, was die Neue Rechte ohnehin plante, weniger an vorderster Linie in der Politik zu stehen, sondern im Hintergrund der politischen Entscheidungen zu wirken. Schließlich war Mohler dann auch Lehrer von Karlheinz Weißmann und Götz Kubitschek, heutigen Protagonisten der Neuen Rechten.
Die heutige Neue Rechte berufe sich auf den Theoriekanon der zwanziger Jahre. Sie greife dessen Duktus auf: Bündelte bereits 1922 der Sammelband „Die Neue Front“ die Überzeugungen, dass es kein Recht auf die Vergangenheit gebe, die Aufforderung zum Kampf gegen Versailles und den Liberalismus sowie die Stärkung des nationalen Willens, so würden diese Schlagworte heute wieder bemüht und bedient. Hier wie dort gebe sich diese Ideologie höchst aggressiv. Heute gelte dieser Angriff dem gesamten Tableau des Nachkriegsliberalismus und insbesondere dessen Hauptexponenten, den Modernisierern der Achtundsechziger-Genera­tion. Deren Erträge sollten revidiert werden; Pluralismus sei Dekadenz, eine zivilisatorische Verfallserscheinung, gegen die man eine deutsche Wiedergeburt stellen müsse, in der sich die nationale Volksidentität spiegele. Nicht zuletzt aufgrund dieser ideologischen Einbindung in längere historische Kontexte seien beispielsweise Björn Höckes Tiraden durchaus ernst zu nehmen. Zugleich sei damit der Horizont des Konservatismus, als den man die Neue Rechte gern beschwichtigend verharmlose, längst verlassen; denn diese Traditionslinie gebe sich dynamisch, antiaufklärerisch und revolutionär. Sie sei eine Facette des europäischen Faschismus.
Ihre deutschen Ausläufer seien nicht so dumm, sich am NS zu orientieren – solche Vorwürfe seien kurzsichtig und kontraproduktiv. Vielmehr orientierten sie sich am autoritären Staat der Präsidialregime der späten Weimarer Republik. Man solle daher in aktuellen Äußerungen nicht nach Hitler, sondern nach Papen suchen. Dabei dürfe indes nicht verschwiegen werden, dass die Autoren der „Konservativen Revolution“ durchaus auch Stichwortgeber für die Verantwortlichen im Reichssicherheitshauptamt, die sich als „Elite der Tat“ verstanden, gewesen seien.
Ausschlaggebend für den Erfolg rechter Ideologeme und Ideologen seien hier wie dort äußere Krisen. Das Aufkommen autoritärer Strömungen lasse sich global beobachten. Sie nutzten die Schwäche des Liberalismus aus und befeuerten sich selbst durch permanentes Schüren der Angst. Erstaunlich sei ferner, dass der politische Islamismus in seinen Merkmalen keineswegs der Feind, sondern der Zwilling der Neuen Rechten sei. Beiden sei die Denkfigur einer Rückbesinnung auf ursprüngliche Identität gemeinsam.
Als Remedium empfahl Weiß, die reflexive Aufklärung über die Funktionsweisen rechter Ideologien stetig in Gang zu halten. Dies nahmen seine interessierten Zuhörer aufmerksam zur Kenntnis und gewiss auch als Auftrag mit nach Hause in ihre Schulen.

Geschichte des Antikfilms

Der Göttinger Althistoriker Dr. Martin Lindner behandelte im zweiten Vortrag des Vormittags ein anderes Feld, das (nur) auf den ersten Blick praxisnäher schien: Die Auseinandersetzung mit Filmen in der Oberstufe, ab 2019 im Zentralabitur verbindlich, sorgt nach wie vor für viel Informationsbedarf in den Fachgruppen. Lindner konnte beispielhaft vor Augen führen, wie Historiker sich dem riesigen Fundus an Filmen nähern können, und erzählte die Geschichte der Antike-Rezeption im Antike-Film. Diese ist mittlerweile über 100 Jahre alt und war vielfältigen Wandlungen unterworfen. Vorweg gewährte er Einblicke in die Studienmotivation heutiger Geschichtsstudierenden: Das Buch spiele dabei kaum noch eine Rolle. Das Interesse für die Alte Geschichte speise sich vielmehr aus Filmen und Computerspielen.
Der Vortrag lieferte dann zunächst einen Überblick über die Entwicklung der Gattung Antikfilm, stellte dabei die Entwicklung der Formate und der verwendeten Stoffe vor und behandelte anschließend die Frage, womit in diesen Filmen das Gefühl der Authentizität erzeugt werde.
Zunächst hatte das Medium Film indes einen schweren Stand: Als Guckkastenkino und Jahrmarktsattraktion gebrach es ihm an Seriosität. Die erste filmische Behandlung antiker Stoffe hatte daher die Funktion, das Medium durch etablierte Bildungsinhalte aufzuwerten. Die Antikenrezeption erfolgt dabei über neuere Romane und Theaterstücke, nicht durch Rückgriff auf die antiken Quellen (Ben Hur, 1907 (Lew Wallace); Cleopatra, 1912 (nach Shakespeare)). Noch unterlag der Film zahlreichen Verboten, z.B. durfte Christus nicht gezeigt werden. Es folgten sogenannte Episodalfilme, in denen die zeitlose Gültigkeit von Moralvorstellungen in unterschiedlichen Epochen dargestellt wurden (Intolerance, 1916). In ihnen nahm auch die Antike die Aufgabe der Sinnstiftung ein, wenn auch gelegentlich als Negativbeispiel einer dekadenten Vergangenheit.
Einen Boom erlebten Antikfilme in den zwanziger und dreißiger Jahren als Parodien des episodalen Historienfilms. Ferner setzte ein Überbietungsgestus ein, der darauf abzielte, immer spektakulärere Inszenierungen vorzulegen. Erste Kamerafahrten wurden eingesetzt und auch auf Tricks zurückgegriffen. Um dem unternehmerischen Risiko vorzubeugen, setzte man zugleich auf eine Kanonbildung derjenigen Elemente, die sich zuvor bereits bewährt hatten.
Ende der dreißiger Jahre kam es dann – nicht zuletzt in Deutschland – zu einer Gegenbewegung gegen diese Kanonbildung; jetzt wurden regionale Stoffe denen der Antike vorgezogen. Den Glaubenskrieg der NS-Wissenschaft gegen ihre wilhelminischen Vorläufer thematisierte der Film Germanen gegen Pharaonen von 1939. Er suchte die These zu beweisen, dass die nordische der ägyptischen Kultur als Urkultur vorangegangen sei. Vollends ins Abseits geriet die Antike im Film des Zweiten Weltkrieges, der verstärkt neuzeitliche Stoffe zur Sinngebung heranzog (Kolberg, 1945).
Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte die Antike in die Kinos zurück, allerdings jetzt nicht mehr als „Meisternarrativ“, sondern eher als Stoff, in welchem moderne gesellschaftliche Beziehungen der unmittelbaren Nachkriegszeit thematisiert werden konnten. Caesar und Cleopatra agieren darum im gleichnamigen Film von 1945, der auf einer Gesellschaftskomödie von Georg Bernard Shaw basiert, wie ein modernes Paar. Im Zeichen der McCarthy-Ära transportierten dann wieder die Filme dezidiert konservative Botschaften, in denen z.B. in der Gegenüberstellung von Römern und Christen, Griechen und Persern die Aktualität thematisiert werden konnte, ohne explizit genannt werden zu müssen. Bekanntestes Beispiel aus dieser Zeit ist The Robe (1953). Die Antike wurde ferner als apolitisches „Zeitalter der Schauwerte“ empfunden, die jetzt auch im Breitwandformat und auf gebogener Leinwand präsentiert wurden. Technische Neuerung wurden gern im Format des Antikfilms eingeführt, weil der Plot als bekannt vorausgesetzt werden konnte und das Publikum in technischer Hinsicht überwältigt werden sollte. Die Epoche bot darüber hinaus die Gelegenheit große Massen, eindrucksvolle Architektur und breite Landschaften in gewollter Kontinuität zum Historiengemälde zu inszenieren. Die Tradition der Antikenrezeption hatte noch eine weitere Wirkung: 1960 konnte Stanley Kubrick in Spartacus brutale Gewalt und sogar männliche Homosexualität zeigen, weil diese mit der Antike assoziiert wurden. So erweiterte das Genre die Grenzen des filmisch Zeigbaren.
In dieser Zeit geriet der Antikfilm allmählich aus der Mode, seine Darstellungsformen und Motive gingen jedoch in andere Genres der „Mythenerzählung“ über (Western, Science fiction). Eine kuriose Nebenerscheinung sind regionale Traditionen, wie etwa in Rumänien. Um sich als blockfreien Staat zwischen West und Ost zu inszenieren, erzählte man dort den Mythos, dass Rumänien das vereinte Erbe der Römer und Daker weitertrage. Die Antikfilme Columna (1968) über die Dakerkriege Trajans, und Burebista (1980), über den ersten dakischen König, bringen diesen Mythos einmal in der römischen, das andere Mal in der dakischen Variante dem Kinopublikum nahe. Beispiele aus Deutschland in dieser Zeit sind Hermann der Cherusker (1967) und Kampf um Rom (1968/69).
In den siebziger Jahren war die Antike nicht mehr der Stoff, aus dem die großen Mythen erzählt wurden. Die Rezeption verschob sich dafür in Richtung Edutainment. Beispiel dafür ist die Fernsehserie The Eagle of the Ninth (1977), in deren Mittelpunkt ein archäologisches Artefakt, der Silchester Eagle, steht. Auch wanderte der Antikfilm ins Arthouse-Genre ab (Pasolini) oder es entstanden extrem schockierende Filme, wie Caligula aus dem Jahr 1979, co-produziert von Penthouse. Hier wird bewusst die Geschichte als Skandal erzählt, als das, was bisher nicht erzählt werden durfte.
Seit Ende der 1990er Jahre kommen wieder regelmäßig, wenn auch nicht übermäßig häufig, Antikfilme auf den Markt. Weiterhin wird der Antikfilm dazu genutzt, überzeitliche Botschaften zu verkünden und bleibt ein Vehikel für computergenerierte technische Innovationen. Großen Umsatz haben die Filme 300 (2007) und Hercules (2014) erreicht. Die Kanonbildung des Antikfilms bleibt über den gesamten Zeitraum stabil: Die Antike dient als Projektionsfläche für eine andere Welt. Griechenland erhält dabei märchenhaft-mythische Einkleidung, während für Rom politische und biblische Plots dominieren. Hellenismus und Spätantike kommen hingegen kaum vor.
Besonders interessant sind die sog. Cross-Over-Phänomene. Motive und Stilmittel der einzelnen Genres werden vermischt und es kommt gelegentlich sogar zu „Parallelfilmen“: Centurion (2010) und Dog Soldiers (2002) sind zum Beispiel im Plot und Bild bis ins Detail identische Filme desselben Regisseurs, wo die Feinde einmal die als Wölfe verkleidete Barbaren, das andere Mal Werwölfe in Schottland sind.
Im zweiten Teil seines Vortrags problematisierte Lindner die Frage, wann ein Film eigentlich authentisch sei. Die Kriterien der Authentizität könnten vielfältig sein. Entscheidend sei jedoch die Frage, was im Kopf des Rezipienten passiere. Da dieses nicht erforscht werden könne, bleibe uns nichts anderes übrig, als zu fragen, welche Signale der Film sendet, um den Eindruck der Authentizität zu erzeugen. Dabei vertrat Lindner die Position, dass ein Film, selbst wenn er in der Darstellung empirisch unrealistisch oder historisch fehlerhaft ist, trotzdem einen emotional realistischen, allgemein menschlichen Zugang zu historischen Tatsachen eröffnen könne und er stellte Strategien vor, die der Film einsetzt, um an Authentizität zu gewinnen. Er nannte hier Stilzitate (z.B. antike Architektur), ikonische Objekte (antike Artefakte), die Nennung von Quellen und Autoritäten (antike Autoren), Wiedererkennungswerte (Nero singt vor dem brennenden Rom), Originalsprache, auktoriale Erzählungen aus dem Off mit überzeitlichen Werten sowie die Bewahrung der Illusionswirkung.
Zum Schluss betonte Lindner, dass Authentizität lediglich ein Werbeschlagwort ist, das meistens nur Sachauthentizität bedeute (z.B. die Verwendung nachgebauter Schiffe oder Katapulte). Vom Antikfilm „Authentizität“ im Sinne von „Historizität“ zu erwarten, sei ähnlich unsinnig, wie ein Shakespeare-Drama als „ahistorisch“ abzulehnen. In der Analyse der Antikfilme wären vielmehr die Fragen „Warum dieser Stoff?“, „Warum diese Entwicklung?“ „Welche technische Medien und welche Legitimationsstrategien werden eingesetzt?“ wichtig, auf die der Vortrag eine erste Antwort gegeben habe.
Im Rahmen seines Vortrags wies Lindner darauf hin, dass am 11.1.2019 die dem Göttinger Althistorischen Seminar angegliederte Sammlung Stern eröffnet wird. Dabei handelt es sich um die wohl umfangreichste Privatsammlung an Schul- und Dokumentarfilmen zu althistorischen und archäologischen Themen. Sie stammen aus dem Nachlass des Archäologen, Filmforschers und Museumspädagogen Tom Stern (1958-2016).

Preisverleihung der Henning von Burgsdorff Stiftung

Zu Beginn des Nachmittagsprogramms verlieh Dr. Martin Stupperich als Vorsitzender des Kuratoriums den Jahrespreis der Henning von Burgsdorff Stiftung an Sylvia Landscheidt vom Graf-Stauffen­berg-Gymnasium in Osnabrück. Sie hatte ein Projekt zur Dokumentation und Gestaltung der Kriegsgräber auf dem St. Johannis-Friedhof in Osnabrück geleitet, aus dem eine Publikation hervorgegangen ist.
Martin Lindner präsentierte in seinem Workshop zum Vortrag vier Filmsequenzen, die er von den Teilnehmern dekonstruieren ließ. Dabei ließ sich eine Spielart der NS-Ideologie hervorragend in Germanen gegen Pharaonen herausarbeiten. Bemerkenswert war ferner, wie veraltet die Deutung der Völkerwanderung noch in Dokumentationen den achtziger Jahren dargestellt wurde; sie dokumentieren mit fragwürdigen Begriffen. Aber auch die Kombination von Bild und Text in neueren Dokumentationen warf erhebliche Fragen auf.

Bildungsangebote des Volksbundes

Unser Osnabrücker Regionalvertreter Dr. Rainer Bendick, seit kurzem hauptamtlich Bildungsreferent des Volksbundes in Braunschweig, informierte in einem zweiten Workshop über das Bildungsangebot seines Arbeitgebers. Er betonte zunächst die Bedeutung, die Bildungsarbeit heute für den Volksbund hat, bevor er einzelne Bildungsangebote genauer vorstellte.
Seit gut zwei Dezennien ist neben der traditionellen Aufgabe der Anlage und Pflege von Kriegsgräberstätten im Ausland die schulische Bildungsarbeit im Inland als zweite Säule der Aktivitäten getreten, die der Volksbund entfaltet. In ihrem Mittelpunkt steht das Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. „Kriegsgrab“ bedeutet heute für den Volksbund nicht mehr nur die Ruhestätte deutscher Soldaten, vielmehr geht es ihm um die Erinnerung an die Toten, die die beiden Weltkriege und die nationalsozialistische Diktatur auf allen gesellschaftlichen Ebenen gefordert haben – und das waren eben nicht nur Soldaten und nicht nur Deutsche. Allein in Niedersachsen sind auf mehr als 1.400 Kriegsgräberstätten und zivilen Friedhöfen über 250.000 Menschen bestattet, die als Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft gelten. Oft nur wenige Gräberreihen voneinander entfernt liegen deutsche Soldaten, verstorbene ausländische Kriegsgefangene, ermordete Zwangsarbeiter und politische Häftlinge, deutsche Bombenopfer, Kindersoldaten des Volkssturms oder Angehörige der Waffen-SS, die nicht selten an Kriegsverbrechen beteiligt waren. An keinem anderen Ort wird die Komplexität der deutschen Geschichts- und Erinnerungskultur so greifbar wie am Kriegsgrab. Es ist der ideale Lernort, um sich mit den Brüchen der deutschen Geschichte und deren Folgen für die Gegenwart vertraut zu machen.
Hier setzen die verschiedenen Bildungsangebote des Volksbunds an. Im Projekt „Geschichts- und Erinnerungstafeln“ erforschen Schülerinnen und Schüler die Biographien der Verstorbenen, die Umstände ihres Todes und die Anlage des jeweiligen Friedhofs. Anschließend dokumentieren sie Ihre Ergebnisse auf einer öffentlichen Erinnerungstafel. Dieses Projekt eignet sich besonders für WPK-Kurse in der Sek I oder für das Seminarfach in der Sek II. Das Projekt „wir schreiben euren Namen“ ist dagegen für Projektwochen geeignet. In seinem Mittelpunkt stehen die Biographien von sowjetischen Kriegsgefangenen, die in Deutschland an den Folgen der unmenschlichen Lebensbedingungen in den Kriegsgefangenenlagern starben und oft anonym beigesetzt wurden. Die Schülerinnen und Schüler werten die Personalbögen aus, die die Wehrmacht über Kriegsgefangenen angelegt hatte und erstellen dann eine Tontafel mit dem Namen und den Lebensdaten des Toten. Die Tafeln werden schließlich auf dem Friedhof niedergelegt, so dass die Toten ihre Namen zurückbekommen. Außerdem unterhält der Volksbund internationale Jugendbegegnungsstätten in Frankreich, in den Niederlanden, in Belgien und nahe der polnischen Grenze auf Usedom. Die Jugendbegegnungsstätten befinden sich in der Nachbarschaft einer Kriegsgräberanlage und werden von erfahrenen Pädagogen geleitet, die für Klassen- und Studienfahrten fertige Konzepte mit mehreren Alternativen vorbereitet haben. Neben der Auseinandersetzung mit ausgewählten Biographien der auf den Gräberfeldern bestatteten Toten werden auch Exkursionen in das Umland nach Straßburg, Amsterdam, Brüssel oder Stettin angeboten. Ferner sind Begegnungstreffen mit gleichaltrigen Schulklassen aus dem Gastland möglich, so dass echte bi-nationale Projektarbeit zur gemeinsamen Geschichte und Gegenwart möglich wird. Die Schulausstellungen des Volksbunds bedienen dagegen Themen die fest in den Curricula der gesellschaftswissenschaftliche Fächer verankert sind, etwa der Erste Weltkrieg, Flucht und Vertreibung oder das Thema Krieg du Menschenrechte. Zu den Ausstellungen gibt es vielfältige Begleitmaterialien, insbesondere Handreichungen, die nach dem Modell der bewährten Hefte „Geschichte Lernen“ aus dem Friedrich-Verlag konzipiert sind. Sie liefern zu einzelnen Aspekten der Ausstellungen fertige, materialgesättigte Stundenentwürfe.
Die Bildungsreferenten der Volksbunds geben gerne weitere Auskunft über die verschiedenen Bildungsangebote. Sie sind in den vier Bezirken angesiedelt, die der Geographie der Regionalabteilungen der Landesschulbehörde entsprechen:

Weser-Ems: Marco Wingert (marco.wingert@volksbund.de)
Lüneburg: Karl-Friedrich Boese (karl-friedrich.boese@volksbund.de)
Hannover: Coscun Tözen (coscun.toezen@volksbund.de)
Braunschweig: Dr. Rainer Bendick (rainer.bendick@volksbund.de)

Die ordentliche Mitgliederversammlung schloss die Tagung ab.

Johannes Heinßen, Rainer Bendick, Christina Kakridi

 

Programm:

9.15 – 9.45 Uhr

Ankunft, Kaffee

9.45 – 10.00 Uhr

Begrüßung

10.00 – 11.15 Uhr

Dr. Volker Weiß (Hamburg)

Die Neue Rechte. Herkunft und
Selbstverständnis.

Kaffeepause

11.30 – 12.45 Uhr

Dr. Martin Lindner (Göttingen)

Die Antike im Film (Semesterthema Q 2, ZA ab 2020, Semesterthema Q 4, ZA ab 2019)

12.45 – 14.00 Uhr

Mittagspause

14.00 – 14.30 Uhr

Preisverleihung der Henning von Burgsdorff

Stiftung (Dr. Martin Stupperich)

14.30 – 15.45 Uhr

Parallele Workshops (bitte zuordnen)

Workshop I: Workshop zum Vortrag (Dr. Lindner)

Workshop II: Die Bildungsangebote des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Chancen für den Geschichtsunterricht (Dr. Rainer Bendick, Bildungsreferent des Volksbundes für die Region Braunschweig)

15.45 – 17.00 Uhr

Mitgliederversammlung des NGLV