Zentraltagung 2012 in Hannover

Herbsttagung 2012 in Hannover

Auch in diesem Jahr erfreute sich der Tag des niedersächsischen Geschichtslehrers hoher Beliebtheit bei Kolleginnen und Kollegen aus dem ganzen Land. So konnte der Verbandsvorsitzende OStD i.R. Dr. Martin Stupperich im Historischen Museum Hannover rund 140 Teilnehmer willkommen heißen. In seinen Begrüßungsworten würdigte er, dass es nach einer Zeit des Schweigens zuletzt wieder zu einem regen, konstruktiven Austausch mit dem Kultusministerium und der Zentralabiturkommission über aktuelle Fragen des Geschichtsunterrichts gekommen sei. Er appellierte zugleich, allen Bestrebungen mit Entschiedenheit entgegenzutreten, die darauf abzielen könnten, das Fach Geschichte in einem gesellschaftswissenschaftlichen Integrationsfach aufgehen zu lassen, wie dies in anderen Bundesländern bereits geschehen sei. Zugleich wies er auf die Möglichkeit hin, Veranstaltungen, die der Förderung des Geschichtsunterrichts dienen, durch die Henning-v.-Burgsdorff-Stiftung fördern zu lassen.

Harald Schmid, „Erinnerungskulturen in Europa – der 27. Januar als Holocaust-Gedenktag“

Für den ersten Hauptvortrag hatte der Vorstand das Thema Erinnerungskultur in den Mittelpunkt gestellt und hierzu Dr. Harald Schmid (Kiel) eingeladen. Dieser hielt unter dem Thema „Erinnerungskulturen in Europa – der 27. Januar als Holocaust-Gedenktag“ einen eindrucksvollen Vortrag, der den Anwesenden wichtige Hinweise auf das verbindliche Wahlmodul des vierten Semesters geben konnte.
Als in den 60er Jahren die EWG allmählich Gestalt annahm, habe die Frage nach einer europäischen Erinnerungskultur noch nicht auf der Tagesordnung gestanden; heute hingegen sei sie aktuell, ja geradezu modisch. Damit rücke auch das Thema der NS-Geschichte in das transnationale Gedenken ein.
Zunächst kritisierte Schmid jedoch den „Holocaust“-Begriff, der sich in der Folge des berühmten Fernsehfilms von 1979 eingebürgert habe und das zuvor verwendete Wort „Auschwitz“ als Sammelbegriff für den Völkermord der Nationalsozialisten verdrängt habe. Bereits ein Jahr später und in der Folgezeit immer wieder habe sich gezeigt, dass „Holocaust“ zu Analogiebildungen einlade (bereits 1980: „Holocaust in Kambodscha“), wodurch die Einzigartigkeit der NS-Verbrechen in Frage stehe.
Was den Gesamtkomplex anbelange, so habe sich der Begriff „Erinnerungskultur(en)“ in der Öffentlichkeit durchgesetzt, während der konkurrierende Begriff „Geschichtskultur“ auf fachdisziplinär ausgearbeitete Konzepte ohne große öffentliche Relevanz beschränkt geblieben sei. „Erinnerungskultur“ sei darüber hinaus stark normativ akzentuiert.
Bevor er über den 27. Januar als Gedenktag sprach, referierte Schmid zunächst den historischen Kenntnisstand zur Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz durch die Rote Armee. Nach zwei Jahren systematischen Mordens in Auschwitz trafen die Sowjetsoldaten dort auf noch 7.000 Überlebende, nachdem das Gros der Häftlinge zuvor von der SS auf Todesmärsche Richtung Westen getrieben worden war. Der desolate Zustand der Häftlinge bewirkte, dass das Grauen mit der Befreiung keineswegs beendet war.
Der Gedenktag 27. Januar sei 1995 von Ignatz Bubis in die Debatte eingeführt worden, da Bubis den 9.11. als Gedenktag aufgrund seiner vielfachen Besetzung als Gedenktag für die Opfer des NS für ungeeignet hielt. Die Diskussion um nationale Feiertage sei Mitte der neunziger Jahre eine Spätfolge der Deutschen Einheit gewesen und sie habe bereits unter der Forderung stattgefunden, dass weitere Feiertage nichts kosten dürfen, nachdem man zur Einführung der Pflegeversicherung 1994 bereits den Buß- und Bettag als bundesweiten Feiertag abgeschafft hatte. 1996 wurde dann der 27. Januar durch Bundespräsident Herzog unter der Maxime proklamiert, die Erinnerung dürfe nicht enden.
Generell sei ein rein kalendarisches Gedenken nur zeit-, nicht aber ortsgebunden. Es lebe und nur durch seine kommunikative Vergegenwärtigung. Denkmale hingegen stünden in der Gefahr, im Raum unsichtbar zu werden.
Allerdings zeigte sich schnell, dass dem 27. Januar der Status eines vollgültigen Feiertages nicht zukam. Er sei nicht arbeitsfrei und selbst die eingebürgerte zentrale Gedenkveranstaltung im Deutschen Bundestag finde stets nur im Umfeld des 27. Januars statt, um die Einberufung von Sondersitzungen zu vermeiden. Ferner sei er von der politischen Klasse eingeführt worden, ohne dass in einer breiteren Öffentlichkeit hierüber eine Debatte geführt worden sei; er sei insofern ein hervorragendes Beispiel für staatliche Geschichtspolitik. Und schließlich sei das Datum in Bezug auf Deutschland problematisch, da es in Deutschland selber keine Erinnerung an das Ereignis gebe. Deutschland stelle sich damit außerdem unberechtigterweise quasi auf die Seite der Opfer.
In seiner Durchführung weise das Gedenken an diesem Tag neben dem zentralen Staatsakt im Bundestag eine Vielzahl regionaler und lokaler Aktivitäten auf, die ihren Fokus zuvorderst auf Jugendliche legten. Insgesamt könne man von einer pluralen, staatsnahen Praxis sprechen.
Folge dieser Rahmenbedingungen sei ein zeitlich ungenaues und darüber hinaus ungeschütztes Gedenken. Häufig kollidiere der Tag etwa mit Faschingsaktivitäten, denn Veranstaltungen anderer Art seien uneingeschränkt erlaubt. So habe die ARD im Jahre 2002 keinen einzigen Beitrag zum Gedenktag, dafür aber drei Stunden lang die Preisverleihung des Ordens „Wider den tierischen Ernst“ gesendet. Es stelle sich daher die Frage, warum der Tag formal ungeschützt sei.
Vom nationalen Gedenken aus ging Schmid im zweiten Teil seines Vortrages dann zum europäischen über. Hier bestimmte er zunächst die aktuellen Haupttendenzen: Die Zeitzeugen-Kultur sei so gut wie beendet, ein politischer Generationenwechsel finde statt. Das Ende der „Vergangenheitsbewältigung“, die auf „Wiedergutmachung“ abzielte, sei erreicht. Erinnerung werde als Konsens definiert. Zugleich hätten Medialisierung und Kommerzialisierung ihren Einzug in die Erinnerungskultur gehalten. Durch Migrationsfolgen sei eine multiethnische Gesellschaft entstanden, die eine ganz anders geartete Erinnerung notwendig mache und neue Fragen aufwerfe. Ferner konzentriere man sich stark auf die Opfer der Geschichte und integriere in zunehmendem Maße auch deutsche Kriegsopfer. Die „doppelte Vergangenheitsbewältigung“ stelle schließlich auch die Frage nach den Verbrechen östlich des Eisernen Vorhanges. Insgesamt könne man von einer Europäisierung, ja Globalisierung der Erinnerungskultur sprechen. Die zunehmende Distanz zu den erinnerten Ereignissen und Zeitabschnitten werfe die Frage neu auf, wozu und wie man sie erinnern solle.
Durch das Europäische Parlament, das Stockholm International Forum sowie die UNO-Generalversammlung sei der 27. Januar zu einem europa-, ja weltweiten Gedenktag geworden. Allerdings zeige sich in der Praxis eine äußerst unterschiedliche Aneignung in den einzelnen Ländern. Diese sei von nationalen Inhalten dominiert. Als Konsens zeichne sich lediglich eine normative Generalisierung in Gestalt von Forderungen nach Toleranz, Menschenrechten und Anti-Rassismus ab.
Mit der „Prager Erklärung“ von 2008 sei dem 27. Januar darüber hinaus mit dem 23. August, dem Jahrestag der Unterzeichnung des Hitler-Stalin-Paktes, ein wirkungsvoller Antagonist erwachsen. Als „Europäischer Tag des Gedenkens an die Opfer von Stalinismus und Nationalsozialismus“ sei er durch das Europäische Parlament eingerichtet worden. Die Opposition dieser beiden Gedenktage markiere eine erinnerungspolitische Konfliktlinie. Kritisierten die einen, dass der 23.8. den Status der NS-Verbrechen relativiere, so seien es insbesondere Osteuropäer, d.h. Vertreter einer „Region sich überschneidender Makroverbrechen“, die damit der eigenen Erinnerung Raum verschafften.
Schmid befand, dass vor dem europäischen Hintergrund die einseitige Fokussierung auf den 27. Januar zu kurz greife. Der 23. August sei die Konsequenz einer Europäisierung der Erinnerungskultur, sofern die Teilung der Erinnerung als normative Perspektive angenommen werde. Nationale Geschichtsbilder und ihre Lehren würden hier entgrenzt. Andererseits sei die Konkurrenz beider Gedenktage als produktive Identitätskommunikation im europäischen Prozess zur Reflexion unterschiedlicher historischer Herkünfte, Lasten und Wahrnehmungen zu begrüßen.

Workshops

Im zweiten Teil des Vormittagsprogramms fanden vier parallele Workshops, die sich der praktischen pädagogischen Umsetzung einzelner Themen widmeten. Wiederum Dr. Harald Schmid leitete den Workshop „Holocaust-Gedenken“. Die rund 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden in sechs Arbeitsgruppen aufgeteilt, um ausgewählte Fragen zum Thema zu diskutieren und zu präsentieren. Die Bandbreite der Kontroversen ging von Fragen wie „Wozu brauchen wir einen Holocaust-Gedenktag?“ über die Diskussion um das angemessene Datum eines „Holocaust-Gedenktages“ (27. Januar? Alternativen?) bis hin zu europäischen und internationalen Konzepten (z.B.: „Ist der 23. August als ‚Europäischer Gedenktag an die Opfer von Stalinismus und Nazismus‘ eine mögliche Alternative zum 27. Januar?“). Eine Arbeitsgruppe befasste sich auch näher mit der didaktischen Dimension und den Umsetzungsmöglichkeiten für den Geschichtsunterricht bei der Behandlung des Gedenktages 27. Januar 1945.
In der (kurzen) Abschlussdiskussion waren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer darin einig, dass eine Annäherung an die Bedeutung des Gedenktages 27. Januar (und allgemein auch an das Thema „Holocaust-Gedenken“) im Unterricht vor allem auch über Einzelschicksale, über die regionale Kontinuitäten nach 1945 und über Beispiele und Möglichkeiten individueller Handlungsoptionen und Verantwortungsbereitschaft zu erreichen ist. Einzelne Teilnehmer konnten von erfolgreichen Kooperationen mit regionalen Museen und Verbänden berichten.
Insgesamt hat der Workshop die Aktualität und die Bedeutung der Geschichte des Holocaust-Gedenkens deutlich machen und die Kontroversität innerhalb eines zu entwickelnden europäischen Geschichtsbewusstseins für den Unterricht hervorheben können.

Ebenfalls auf dem Feld der Erinnerungskultur arbeitete Dr. Martin Stupperich in seinem Workshop „Wider das Vergessen in Deutschland – der Völkermord an den Armeniern als Vorstufe des Holocaust? ‚Aghet‘ – ein Film als Mittel des Gedenkens“. Der Workshop begann mit einem Filmausschnitt aus dem preisgekrönten Film „Aghet – ein Völkermord“ von Eric Friedler (Grimme-Preis 2011, Deutscher Fernsehpreis 2010) und wurde durch einen mündlichen Vortrag des Workshopleiters fortgesetzt, auf den eine Diskussion der Teilnehmer folgte. Zahlreiche Materialien wurden verteilt.
Der Film reagiert auf die jahrzehntelange und mit Nachdruck von der türkischen Regierung vorgetragene Leugnung des Völkermords an den Armeniern, der bereits von Mustafa Kemal (später genannt Atatürk) bei Gründung der neuen Republik Türkei 1923 in den Rang einer Staatsdoktrin erhobenen These, dass es einen Völkermord an den Armeniern nie gegeben habe und dass es dafür keine Belege gebe.
Eben diese Belege führt der Film mit dem Mittel wörtlicher Zitate aus den im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes lagernden geheimen Quellen aus dem Jahr 1915 vor. Weithin bekannte deutsche Schauspieler haben den damaligen Zeugen durch Zitate aus diesen Quellen ihre Stimme geliehen. Diese Quellen sind 2005 von Wolfgang Gust in einem umfassenden Band auf über 600 Seiten wissenschaftlich ediert worden und inzwischen vollständig für jedermann im Internet zugänglich. Damit ist für die Geschichtswissenschaft und die international ernstzunehmende Historikerschaft die Tatsache des Völkermords an zwischen 1 Mill. und 1,5 Mill. Menschen abschließend nachgewiesen. Dieser Genozid vollzog sich vor den Augen der zur Führung der osmanischen Armee entsandten hochrangigen deutschen Offiziere, denen jegliches Eingreifen von der kaiserlichen Regierung in Berlin untersagt wurde. Da ein Eingreifen und somit die Verhinderung des Völkermordgeschehens möglich gewesen wäre, ist die deutsche Mitverantwortung heute anzuerkennen. Insofern ist dieser Genozid, über den damals eine strikte Nachrichtensperre verhängt wurde, ein Teil auch der deutschen Geschichte und geht uns heute immer noch an.
Mehreren Teilnehmern am Workshop waren zahlreiche Umstände des Geschehens bis dahin unbekannt, was dem weithin geringen Bekanntheitsgrad des Geschehens in Deutschland entspricht. Es wurde über die Hintergründe des Geschehens und die These des Genozid­forschers Mihran Dabag (Bochum), es habe sich um eine Form des Nationbuilding auf der Basis rassischer Säuberung gehandelt, diskutiert. Weiterhin ging es um türkische Einflussnahmen auf deutsche Lehrpläne und den Versuch türkischer Eltern, Druck auf Lehrkräfte auszuüben, die es wagten, den Völkermord an den Armeniern im Geschichtsunterricht anzusprechen. Eine Mehrheitsmeinung sprach sich dafür aus, dass Lehrkräften ein solcher Unterricht unter diesen Umständen nicht wirklich abverlangt werden könne, solange die Landesregierung sich in diesem Punkt nicht eindeutig positioniere. Es blieb die These bestehen, dass die Geschichtswissenschaft sich ihre Forschungsergebnisse nicht von der Politik vorschreiben lassen könne.

Dr. Axel Ehlers (Hannover) gab unterrichtspraktische Anregungen zum Thema „Spanischer Kolonialismus“. Die meisten der gut 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops werden das Thema erstmals nach dem neuen Kerncurriculum im kommenden Halbjahr 11.2 unterrichten. Zunächst wurden daher die zeitlichen und formalen Rahmenbedingungen für den Unterricht im Halbjahr 11.2. skizziert. Hinweise auf leicht und günstig zu beschaffende didaktische Literatur und Materialien zum Thema sowie eine mögliche Grobplanung für das Wahlpflichtmodul wurden erörtert. Dabei konnten die Teilnehmer auch von den Erfahrungen derjenigen Kollegen profitieren, die das Thema bereits unterrichtet haben. An einem zehnminütigen Spielfilm-Ausschnitt wurde beispielhaft eine möglicher Zugang zum Themenkomplex dargestellt.

Zentralabitur 2013

StD Peter Heldt (Wolfenbüttel) informierte als Vorsitzender der Zentralabiturkommission über die anstehenden Neuerungen im Zentralabitur 2013, die von vielen Kolleginnen und Kollegen sehnlichst erwartet wurden.
Herr Heldt berichtete über die Entwicklung der Erstellung von Aufgabenformaten für das KC Oberstufe. Die in Lingen 2011 entworfenen Aufgabenformate erwiesen sich als zu komplex und zu umfangreich. Die dort entwickelten und in regionalen Multiplikatoren­veran­stal­tungen erörterten Aufgabenformate sind daher hinfällig. Für den Abiturdurchgang, der 2015 mit dem Zentralabitur abschließt, sind schon neue Formate in Vorbereitung, die ähnlich wie in den Fächern Religion und Deutsch andere Aufgabenformate, z.B. produktionsorientierte enthalten werden. Dafür wird es im nächsten Jahr Fortbildungsveranstaltungen geben. Für das Zentralabitur 2013 und 2014 bedeutet dies, dass sich an den bekannten Aufgabenformaten wenig ändert. Für das erhöhte Niveau sind im nächsten Durchgang 2013 vier Aufgaben, für das grundlegende Niveau drei Aufgaben vorgesehen. Dadurch wird deutlich, dass die Kommission sich weit von den Lingener Aufgabenformaten entfernt hat. Herr Heldt wies ferner darauf hin, dass das Material im nächsten Durchgang einfacher gestaltet werden soll als im letzten Zentralabitur 2012. Der Erwartungshorizont, den Herr Heldt als Muster vorstellte, wird schlichter und knapper ausfallen und auf Kernpunkte reduziert werden. Die Kolleginnen und Kollegen sind dazu aufgerufen, die Schülerleistungen nach ihrem fachlichen Ermessen zu bewerten und einen eigenen ausführlichen Erwartungshorizont (nur für die eigene Nutzung) zu entwerfen. Dies erklärt sich aus dem Umstand, dass das KC für die Wahl der den geforderten inhaltlichen (drei) Aspekten je Themenmodul entsprechenden Inhalte recht große Freiheiten einräumt, sodass der bisherige umfängliche Kanon als Grundlage der Erstellung von Erwartungshorizonten nicht mehr sinnvoll erscheint. Niemand brauche sich daher um inhaltliche Vollständigkeit im bisherigen Sinne zu sorgen. Sehr hilfreich war der Hinweis, dass der Bezug zu den Theorieaspekten der Kernmodule über die Operatoren „erklären“ und „erläutern“ oder über „überprüfen“ erfolgen soll. Es wird kein Vergleich von Theorieaspekten gefordert sein, da dies als zu anspruchsvoll erscheint. Herr Heldt wies explizit darauf hin, dass bei den Operatoren „erklären“ und „erläutern“ in der Operatorenbeschreibung der Hinweis auf das Hinzuziehen von Theorien enthalten ist. Es ist Aufgabe des Unterrichts, die Schülerinnen und Schüler darauf aufmerksam zu machen, sodass diese in der Abiturklausur selbstständig (ohne gesonderten Hinweis durch die Aufgabenstellung) bei diesen Operatoren Theoriebezüge herstellen. Die Anwesenden würdigten diesen Zugang, weil dadurch den Schülerinnen und Schülern freigestellt sei, vor dem Hintergrund des vorherigen Unterrichts in einer recht offenen Weise Theoriebezüge herzustellen. Ein ähnlicher Umgang sei laut Herrn Heldt mit dem frei zu wählenden Wahlmodul gegeben. Die Schülerinnen und Schüler sollen Aspekte davon selbstständig an geeigneter Stelle einbringen, sollten allerdings auch darauf achten, dass dieses zur Aufgabenstellung passt. Abschließend wies Herr Heldt darauf hin, dass das vierte Rahmenthema als sehr wichtig einzuschätzen ist. Es ist sehr gut zur Wiederholung von einzelnen Inhalten geeignet und bietet sich natürlich auch für einen Semesterübergriff an. Herr Heldt kündigte regionale Dienstbesprechungen an, die ab Januar 2013 zu diesem Thema stattfinden werden. Aufgrund eines Haushaltsvorbehalts können die Veranstaltungen nicht mehr im laufenden Jahr stattfinden. Die Anwesenden bedauerten, dass Herr Heldt kein Aufgabenbeispiel vorlegen durfte, waren insgesamt aber zufrieden über diese aussagekräftige Vorstellung der Aufgabenformate für die nächsten zwei Jahre.
Herr Dr. Müller stellte in Grundzügen den Entwurf eines Fragebogens vor, den der NGLV zur Auswertung des KC-Oberstufe erstellt hat. Dieser Fragebogen wird im April 2013 an die Fachgruppen aller Schulen versandt und soll bis zum Juni ausgefüllt werden. Er dient dazu, die bisherige Arbeit mit dem KC und den Zentralabiturklausuren derart transparent werden zu lassen, dass darauf aufbauend Optimierungen in der Arbeit mit dem KC-Oberstufe vorgenommen werden können (z.B. Fortbildungen, Konkretisierungen in den Hinweisen zum Zentralabitur oder Anpassungen in den Zentralabiturklausuren). Er bat darum, diesen Entwurf (einsehbar unter https://www.nglv.de unter „Aktuelles“) zu kommentieren (kontakt@vgd-nds.de). Der Erfolg dieses Unternehmens hängt davon ab, dass die Fachgruppen diesen Fragebogen im Frühjahr 2013 auch ausfüllen, weil nur so ein aussagekräftiges Ergebnis erwirkt werden kann.

Preisverleihung der Henning-v.-Burgsdorff-Stiftung

Nach der verdienten Mittagspause traf man sich zur Preisverleihung der Henning-v.-Burgs­dorff-Stiftung. In diesem Jahr wurden drei eingereichte Projekte ausgezeichnet. Den mit einem Betrag von 1.000 € dotierten ersten Preis erhielt OStD Dr. Stefan Krolle (Achim) für die Einrichtung des Cato-Bontjes-van-Beek-Archives am gleichnamigen Gymnasium. In drei Räumen ist dort eine Erinnerungsstätte an die junge, 1943 hingerichtete Widerstandkämpferin entstanden, die zugleich ein lokalhistorisches Archiv mit vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten darstellt. Einen zweiten Preis über 500 € erhielt RL’ Dorit Schierholz für ihr Projekt „Augen auf mit Anne Frank“ an der Christian-Hülsmeyer-Realschule in Barnstorf. Wie schon im letzten Jahr konnte Frau Schierholz die Jury durch ein enorm aufwändiges, fächerübergreifendes Projekt überzeugen, in das viele Schülerinnen und Schüler sinnvoll eingebunden waren und zu vielfältigen Ergebnissen gelangten. Einen dritten, mit 250 € honorierten Preis erhielt Herr StR Stefan Küllmer-Timm (Wilhelmshaven) für seine Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der Exkursion einer 6. Klasse ins Museum Kalkriese. Dr. Stupperich rief Kolleginnen und Kollegen dazu auf, sich mit außergewöhnlichen Leistungen und Projekten im Geschichtsunterricht um den Preis der Stiftung zu bewerben.

Walther L. Bernecker, Der spanische Kolonialismus

Abweichend von der üblichen Tagungsplanung fand der zweite Hauptvortrag erst am späteren Nachmittag statt. Prof. Dr. Walther L. Bernecker (Erlangen) war kurzfristig eingesprungen, hatte aber am Morgen noch eine Vorlesung zu halten. Als ausgewiesener Kenner der Materie – er ist der Autor eines Standardwerkes zur spanischen Geschichte – referierte er furios eineinhalb Stunden und schlug in zwölf Unterkapiteln einen Bogen über das gesamte Semesterthema. Wer seinen Vortrag gehört hat, wurde insofern über den gesamten Stoff des zweiten Semesters informiert. Besonders interessant fiel dabei sein abschließendes Kapitel über die Bedeutung der Jahrestage aus. Der 12. Oktober habe in der Erinnerung der beteiligten Völker lange keine Bedeutung gehabt. Er sei als „Dia de la raza“ (Tag der Rasse) erst bedeutsam geworden, nachdem Spanien 1898 mit Kuba seine letzten Kolonien verloren habe. Das Aufwachen des nationalen Denkens in der spanischsprachigen Welt habe sich jedoch vorzugsweise gegen die USA gerichtet. Der Rasse-Begriff sei dabei nicht biologistisch, sondern kulturell zu verstehen. Er versammle alle Ethnien, die durch die spanische Tradition in der kulturell spanisch geprägten Welt zusammengeführt worden seien. Insofern sei er nicht exklusiv, sondern schließe auch die Indigenen mit ein.
Als anderer Begriff sei auch der des „Dia de la Hispanidad“ (Tag der Hispanität), der „nuestra America“ wiederum gegen die USA einigen sollte. Darin sei auch die Versöhnung des spanischen Mutterlandes mit seinen lateinamerikanischen ehemaligen Kolonien zum Ausdruck gekommen. Schließlich habe der neutralere Begriff einer „fiesta nacional“ Einzug gehalten.
Im Gegensatz dazu zeige sich an der Rezeption der 500. Wiederkehr der Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus, wie stark die Interessen von Mutterland und den lateinamerikanischen Ländern auseinandergingen. Spaniens Plan, das „spanische Jahr“ 1992 (Olympische Spiele in Barcelona, Weltausstellung in Sevilla) durch eine große Feier der Entdeckung zu krönen, sei an den indigenen Kräften Lateinamerikas gründlich gescheitert. Genozid, Massenmord und Christianisierung seien als Merkmale des spanischen Kolonialismus der vermeintlichen Erfolgsgeschichte entgegengesetzt worden; Spanien habe dadurch am Pranger gestanden. Anstelle des 12. sei der 11. Oktober als letzter Tag der Freiheit Südamerikas ins Gespräch gebracht worden.
Den 200. Jahrestag der Unabhängigkeit Lateinamerikas, der im Jahre 2010 gefeiert wurde, habe Spanien zwar auch wieder gemeinsam begehen wollen, sei aber zurückhaltender aufgetreten; aber auch dies hätten die lateinamerikanischen Staaten abgelehnt und für sich gefeiert. Dabei sei indes deutlich geworden, dass auch die lateinamerikanischen Staaten angesichts unterschiedlicher politischer Auffassungen und Zielsetzungen keinen Konsens hätten erzielen können.

Johannes Heinßen (Stade)